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Eine kurze Geschichte der Hominiden - vom Sahelanthropus zum Homo Sapiens

Update NOV 2002

Die Hominidenlinie (Familie Hominidae) beginnt im Stammbaum an der Astgabel zwischen Affen und Menschen. Einer der Äste führt zum Schimpansen (Pan), der andere Ast ist die Hominidenlinie, dessen letzter Vertreter wir, der homo sapiens sapiens, sind.
Wann dieser Bruch zwischen Menschen und Affen sich vollzog, kann bis heute bestenfalls grob geschätzt werden: Vorsichtige Schätzungen sprechen von 5-10 Millionen Jahren, andere wagen etwas präziser, den Beginn der Hominidenlinie auf 7-9 Millionen Jahre zu datieren.
Die Informationen bzw. das Bild, daß wir von unseren Vorfahren haben, ist im wahrsten Sinne des Wortes extrem bruchstückhaft - wie die meisten Überreste, die wir von ihnen finden. Deswegen kann bereits ein vergleichsweise kleiner Fund, eine Neudatierung oder die Anwendung neuer Methoden riesige Theoriengebäude in Frage stellen.
Auch unter den Experten gibt es - verglichen mit anderen Fachrichtungen - nur wenig Konsens, dafür aber um so mehr Rivalität bis hin zur offenen Feindschaft. Für den Laien ist es deswegen schwierig, das Gewicht so mancher Hypothese, Klassifizierung oder eines Fundes abzuschätzen.
Die Entwicklungsgeschichte des Menschen ist ein riesiges Puzzle, von dem wir nur einige, wenige Teile haben, aber noch gar nicht sagen können, aus wie vielen Teilen das Ganze am Ende bestehen wird geschweige denn, ob wir die gelegten Teile richtig eingefügt haben.

In der folgenden Imagemap (Auf die Schädel clicken !) habe ich ein paar Puzzleteilchen lose nebeneinander gelegt, einzig die Datierungen ordnen die Hominiden nach Alter. Natürlich ist auch dies in einigen Fällen umstritten - deswegen zeigen die blauen Balken sowohl die diversen Datierungen verschiedener Funde einer Art als auch die diversen Schätzungen des Alters e i n e s Fundes an. Der neu entdeckte Sahelanthropus kam "zu spät" und ist deswegen in der Graphik tiefer angeordnet.

Imagemap

Die Kenntnisse über die Evolution des Menschen haben sich insbesondere im letzten Jahrzehnt entscheidend geändert. Die meisten Lehrbücher vor dieser Zeit sind deswegen bezüglich vieler wichtiger Fragen bereits überholt. Dafür gibt es viele Beispiele:

Bis vor kurzem z.B. wurde die Besiedlung Australiens durch den homo sapiens auf rund 60000 Jahre vor unserer Zeit datiert - neue Funde (Werkzeuge) könnten nun dieses Ereignis auf rund 175000 Jahre zurück verlegen. Oder:

Die Ausbreitung des homo erectus in Südostasien war bisher durch die sogenannte Wallace-Linie (Flores) begrenzt worden - schlichte Neudatierungen von Fundstücken (ebenfalls Werkzeuge) führen nun zu der neuen und spektakulären Hypothese, daß erectus nicht nur diese natürliche Artengrenze überschritten hat, sondern dazu auch noch mindestens 20 km über das Meer hat zurücklegen müßen - das hatte bis dahin niemand unserem Ahnen zugetraut !

Zeittafel

Vor 60 Millionen Jahren - Entstehung der Ordnung der Primaten.

Vor 35 Millionen Jahren - Die ersten Affen bevölkern die Welt. Funde: Propliopithecus, Aegyptopithecus.

Vor 20 bis 10 Millionen Jahren - Sivapithecus, Ramapithecus (evtl. Linie zum Orang-Utan), Gigantopithecus (...der als Yeti oder Bigfoot die heutige Welt noch unsicher machen soll) und Proconsul. Diese Linien setzen sich offenbar nur in Afrika fort.

Vor 7 bis 10 Millionen Jahren - Die Linie zum Gorilla spaltet sich ab.

Vor mindestens 7 Millionen Jahren - Die Linie zu den Schimpansen spaltet sich ab.

Vor 7 bis 6 Millionen Jahren - Sahelanthropus tschadensis
Sahelanthropus, auch liebevoll Toumaï ("Lebensmut") genannt, wurde im Juli 2001 in der Djurab-Wüste im nördlichen Tschad gefunden und durch den eindeutigen Fundkontext (Man fand mit ihm die Überreste von rund 40 anderen Wirbeltierfossilien) zweifelsfrei auf 6 - 7 Millionen Jahre datiert . Damit ist Toumaï vorerst der älteste Hominide, der je gefunden wurde. Schädel und Gehirnvolumen ähneln einem Schimpansen, doch weist ausgerechnet dieser älteste Hominidenfund verblüffend moderne Merkmale hinsichtlich der zierlichen Zähne und des flachen Gesichtes auf. (Hinsichtlich der Merkmale siehe weiter unten beim Kenyanthropus !)

Vor 6,2 bis 5,6 Millionen Jahren - Orrorin tugenensis ("Ursprünglicher Mensch aus den Tugen Hills") oder populär: Millennium Man, gefunden 2000 von Senut/Pickford in den Tugen Hills in Kenia. Besonders der Oberschenkelknochen mit dem außergewöhnlich großen Kugelgelenk scheint ein Indiz für die Bipedie dieser Spezies. Der aufrechte Gang ist aber noch immer fraglich (Schimpansenlinie ?).

Vor 5.8 bis 5.2 Millionen Jahren - Ardipithecus ramidus kadaaba ("Stammvater der Bodenwurzelaffen") hatte ungefähr die Größe und auch das Gebiß eines Schimpansen. Haile-Selassie fand diesen als Unterart des Ardipithecus ramidus klassifizierten Urahnen 2001 in Aramis (Provinz Afar,Äthiopien). Die Rekonstruktion des großen Zehs ist typisch für Bipedie, allerdings sind ausgerechnet diese Fundteile etwas anders datiert als der Rest des Fundes von ca. 5 Individuen - umstritten, wie so oft in der Paläoanthropologie, wo so manche Theorie nur auf dünnem Datenhumus blüht.

Vor 4.4 bis 4,2 Millionen Jahren - Ardipithecus ramidus. 1992 wurden in Aramis in der Provinz Afar (Äthiopien) die Überreste von 17 Individuen gefunden, (Tim White, Berhane Asfaw and Gen Suwa), in denen man zuerst Australopithecinen ("Australopithecus praegens") vermutete. Der Ardipithecus ramidus war ungefähr 120 cm groß, die Zahnformen (Zahnschmelz !) und Knochen scheinen eine Zwischenform zwischen Affen und grazilen Australopithecinen darzustellen. Lebensraum des A. ramidus war noch der Wald.

Vor 4.2 bis 3.9 Millionen Jahren - Australopithecus anamensis (Nach dem verschwundenen Lonyunumsee benannt bedeutet das auch "Südaffe vom See"). Meave Leakey entdeckte 1994 in Kanapoi (Kenia) die bisher älteste Australopithecusart. Dieser eventuelle Stammvater der Australopithecinen zeigt sowohl hominide wie auch äffische Züge. Der Zahnschmelz ist dicker geworden, die Schneidezähne springen aber noch stärker hervor als beim späteren afarensis. Während der Gehörgang noch äffisch schmal ist, zeigen die Arm- und Beinknochen deutlich bipedische Tendenzen (tibia).

Vor 3,9 bis 2,9 Millionen Jahren - Der Australopithecus afarensis ("Südaffe aus Afar") ist sicherlich der bekannteste seiner Gattung. Verantwortlich dafür zeichnet "Lucy" (Nach: "Lucy in the sky with diamonds" von den Beatles), einer der wohl berühmtesten paläoanthropologischen Funde. Don Johanson fand 1976 in Hadar (Äthiopien) mit ihr einen Hominiden, der sich sowohl im Wald als auch in der Steppe nicht nur aufrecht fortbewegte, sondern auch schon schnell laufen konnte wie ein Mensch. Berühmt sind auch die Fußspuren von afarensis, die in Laetoli in Hadar gefunden wurden. Afarensis war zwischen 120 und 140 cm groß, der Dimorphismus (Größenunterschiede zwischen den Geschlechtern) war noch stark ausgeprägt. Während Becken und Beine deutlich humanoid sind, wirkt der Schädel immer noch wie der eines Schimpansen. Die Größe des Gehirns ist noch unbedeutend größer als beim Pan.

Vor 3.5 Millionen Jahren - Kenyanthropus platyops - ("Kenianer mit dem flachen Gesicht"), Fundort Lake Tukana (Rudolfsee) 1999 in Kenia. Maeve Leakey erklärte ihn 2001 zu einer neuen Hominidengattung. Kenyanthropus ist ein Zeitgenosse von A. afarensis. Er hat jedoch ein flaches Gesicht und kleinere Zähne. Eventuell ist er ein Beispiel für die Formenvielfalt der Hominiden dieser Zeit. Angesichts gewisser Ähnlichkeiten könnte er der Vorfahre des Homo rudolfensis sein, andere insistieren auf einer (Unter)art des Australopithecus - wie bei Orrorin und Ardipithecus muß man wohl noch auf weitere Funde bzw. neue Erkenntnisse warten.

Vor 3.5 bis 2,9 Jahren - Australopithecus bahreighazali - 1995 fand Michel Brunet Teile eines Kiefers in Koro Toro (Tschad), der von vielen für einen A. afarensis gehalten wird. In jedem Fall ist bahreighazali der Nachweis für die Präsenz graziler Australopithecinen auch mitten in Afrika.

Vor 3 bis 2 Millionen Jahren - Australopithecus africanus - Berühmtester Fund dieser Species ist sicherlich das "Taung-Kind", gefunden 1925 von Raymond Dart in Südafrika. Africanus wurde ausschließlich in Südafrika gefunden, war etwas größer als afarensis und verfügte bereits über etwas mehr Gehirnvolumen. Der Kiefer gleicht dem des Menschen, während der Körper hinter afarensis zurückbleibt. Africanus lebte in einer lichten Waldlandschaft und war wohl noch ein guter Kletterer.

Vor 2,6 bis 2,3 Millionen Jahren - Paranthropus oder Australopithecus aethiopicus s.u. - (Ein einziger Fund, der sg. "black skull") mit großen Zähnen, starkem Kiefer und robustem Bau und der
2,5 Millionen Jahre - alte Australopithecus gahri ("Überraschungsaffe"), beide in Äthiopien gefunden. Garhi (Tim White in Bouri, Äthiopien 1997) wurde von Asfaw 1999 als neue Art eingeführt - Garhi scheint sich durch eine für Australopithecus ungewöhnlich feine Werkzeugkultur auszuzeichnen ("Oldovan"). Er wurde mit Steinwerkzeugen und Knochen, die systematische Schnittspuren zeigten, gefunden. Garhi hat große Backenzähne, menschengleiche Oberschenkel, andererseits wieder lange Arme wie ein Schimpanse.

Vor 2,5 Millionen Jahren - Bei Gona werden erstaunlich fein gearbeitete Steinwerkzeuge gefunden (Garhi ? Oldovan ? Acheulon ?!), deren Datierung gängige, lineare Vorstellung der Entwicklung von Technikkomplexen in Frage stellt.

Vor 2,6 bis 2,5 Millionen Jahren - Eine wichtige Cäsur in der Entwicklung zum Menschen: Die Australopithecinen spalten sich in ihrer Entwicklung nun deutlich in 2 Zweige (wahrscheinlich durch erzwungene Nahrungsspezialisierung regionaler A.). Es entwickeln sich die sg. robusten A., die inzwischen mit mehr und mehr Akzeptanz zu einer Gattung, genannt Paranthropus, gezählt werden. Sie verbindet z.B. ein mehr oder weniger ausgebildeter sagittaler Kamm (Ein "sagittaler Kamm" ist ein knochiger Wulst oben auf dem Schädel, an dem die Kaumuskeln befestigt sind.) Aus den grazilen Formen (africanus, afarensis) entsteht nun umstrittenermaßen die neue Gattung Homo mit dem...

Vor 2,5 bis 1,8 Millionen Jahren - ...Homo rudolfensis in Koobi Fora (Turkanasee), 1972 von Richard Leakey gefunden. An dieser Stelle verlaufen gleich mehrere (populäre) Kontroversen zwischen den Experten. Manche bezeichnen rudolfensis bereits als Homo habilis, während andere sowohl rudolfensis als auch habilis noch zu den Australopithecinen zählen (A. habilis). Rudolfensis ist mit über 150 cm deutlich größer als andere A. Die Proportionen der Extremitäten sind menschlich, aber Knochen, Ohren und Kiefer inc. Zähne sind affenartig. Die rätselhafte Mischung aus Mensch und Affe, aus modernen und archaischen Ausprägungen läßt rudolfensis zum Brennpunkt heftiger Kontroversen werden. Meave Leakey hält es für möglich, daß er ein Nachfolger von Kenyanthropus ist, womit die Fundnummer KNM-ER-1470 denn glücklich von drei Gattungen umworben wird.

Vor 2.1 bis 1.1 Millionen Jahren - Paranthropus (oder Australopithecus) boisei, populär geworden als "Nußknackermensch" wegen seines überaus kräftigen Kiefers. Boisei wurde sowohl in Südafrika als auch in Kenia (Turkana) und Tansania gefunden. Louis Leakey benannte seinen Fund (1959) zuerst als Zinjanthropus boisei (nicht verwechseln mit Sinanthropus - Pekingmensch), um eine neue Gattung zu kennzeichen. Boisei war ein pflanzenfressener Regenwaldbewohner mit gewaltigem Kauapparat und um die 150 cm groß und ist womöglich aus dem äthiopicus entstanden.

Vor 2 bis 1.4 Millionen Jahren - Paranthropus (Australopithecus) robustus ist die vermeintlich südafrikanische, zeitgenössische Variante von boisei. Etwas kleiner als der "Nußknacker" sorgt der von Robert Broom 1940 in Kromdraai nahe Sterkfontein entdeckte robustus für Kontroversen: Südafrikanische Experten sehen eine Entwicklung vom africanus zum robustus - damit wäre er kein Paranthropus... ein kleiner Eindruck von den vielen Frontlinien in der Materie !

Vor 2.1 bis 1.5 Millionen Jahren - Der Homo habilis ("fähiger Mensch"), gefunden zuerst 1961 ("Jonny´s Child") von Louis Leakey, Tobias und Napier in der berühmten Olduvaischlucht (Kenia), zeigt eine große Variation von Formen und ist - auch von Fund zu Fund - umstritten. Neben Kenia gibt es Funde in Äthiopien und vermutlich Südafrika. Er war bis zu 160 cm groß, sein Gehirn ist mit ca. 650 ccm. deutlich größer als das der Australopithecinen, seine Backenzähne annähernd menschlich. Sein mögliches Broca-Zentrum deutet auf die Fähigkeit komplexer Lautsprache hin. Habilis verfügt nachweislich über die erste (?) Werkzeugkultur, in diesem Stadium "Oldovan" genannt.

Vor 1,8 Millionen Jahren verlassen die ersten Hominiden Afrika. Während die Australopithecinen sich nicht über Afrika hinaus haben verbreiten können und auch die habilis-Formen außerhalb von Afrika nicht nachgewiesen werden können, beginnt mit der Verbreitung einer neuen Hominidenart über Europa, Asien und eventuell sogar Teile Ozeaniens die Erfolgsgeschichte des "aufrechten Menschen":

Vor 1.8 bis 0,3 Millionen (50000 ?) Jahren - Der Homo erectus ("Aufrechter Mensch") erscheint auf der Bildfläche und wird sie für einen lange Zeit nicht mehr verlassen. Seit 1,8 Mio. Jahren - das war 1994 eine Sensation (2 Schädel in Dmanisi, Georgien, durch Justus /Jöris, evtl. ergaster) - soll der aufrechte Mensch die Erde bevölkern, vor 300000 Jahren - so bislang die Meinung - sei er verschwunden. Letzterer Behauptung widersprechen Neudatierungen (C.Swisher) der Ngandong-Funde (Java). Noch vor 50000 Jahren hat sich demgemäß der Javamensch die Erde mit dem Neanderthaler und dem Homo sapiens geteilt ! Selbst natürliche Artengrenzen scheinen für ihn kein Hindernis gewesen zu sein (s.o.). Doch schon längst blicken da die Paläoanthropologen zweifelnd: Eine Hominidenart, die 1,75 Millionen Jahre sozusagen unberührt von allen Änderungen im gleichen (jedoch rasend schnellen) Trott bleibt ? Dies wäre ein Supermodell der Evolution, was auch die offensichtliche Schnelligkeit seiner Ausbreitung betrifft. Denn kaum taucht Homo erectus zum erstenmal in Afrika auf, erobert er auch schon Asien, wie die Funde zu belegen scheinen (ansonsten kommt erectus dort "erst" vor 1,5 bis 1,2 Mio. Jahren an).

Viele Fachleute sehen ein Problem in der Zuordnung von Hominiden - ein allgemeines Problem und Ausgangspunkt unzähliger Gelehrtenstreits - zur Superart erectus. Vielleicht treffen sich unter dem Erectusdach mehrere, bis dato noch nicht klassifizierte Menschenarten ?! Zumindest der Homo ergaster, dem einige afrikanische Erectusfunde zugeschrieben werden können, wird von vielen als eine eigenständige Form angesehen, auch der bisher älteste "Europäer" Homo antecessor stellt wohl eine eigene Art dar. Aus dieser Perspektive wären allein die chinesischen und indonesischen Funde (Pekingmensch, Javamensch) noch dem Homo erectus zuzuordnen, die sich aus dem H. habilis oder H. ergaster entwickelt haben könnten. Homo erectus hat ein Gehirnvolumen zwischen 850 und 1200 ccm, verfügt über einen robusten, aber inzwischen ganz menschlich proportionierten Körperbau. Sein Schädel ist jedoch noch wesentlich primitiver, er ist kinnlos, hat Augenwülste, ein hervorstehendes Gesicht und einen flachen Schädel. Er ist deutlich an das Leben in der Steppe bzw. im offenen Grasland angepaßt und konnte offensichtlich nicht nur hervorragend laufen, sondern auch viel schneller, als die Wissenschaft vor einem Jahrzehnt noch annahm ;-). Eventuell hat die frühe Form bzw. ergaster bereits gezielt Feuer genutzt, deutliche Hinweise gibt es dagegen auf koordiniertes Jagen und eine verfeinerte Werkzeugkultur (Acheulon). Berühmteste Erectus-Funde sind der Javamensch - gefunden durch Eugene Dubois in Trinil 1891 - und der Pekingmensch, zuerst 1929 in der Höhle Zhoukoudian in der Nähe von Peking entdeckt. Von Letzerem wurden in den zwanziger Jahren 40 Individuen ausgegraben, die aber während der japanischen Invasion in China 1941 verloren gegangen sind. Es blieben nur Abdrücke, ein unersetzlicher Verlust - die Hoffnung, diese "lost skulls" wiederzufinden, hat man noch nicht aufgegeben. Jedenfalls sind die asiatischen erecti kleiner, stämmiger und schwerer gebaut als ihre afrikanischen und europäischen Kollegen.

Vor 1.8 bis 1.2 Millionen Jahre - Homo ergaster ("Arbeitermensch") - frühe Form des erectus oder eine eigene Art ? Der Turkanajunge oder "Nariokotome Boy" stellte 1984 einen beispiellosen Fund dar, entdeckt durch einen der wohl berühmtesten und erfolgreichsten Finder von Hominidenknochen, Kamoya Kimeu. Der Turkanajunge gilt als das vollständigste bis heute entdeckte Skelett eines frühen Hominiden. Er kam bereits als Jugendlicher - womöglich durch einen Zahnabzess - am Rande eines seichten Flussdeltas ums Leben, wo sein Körper schnell vom Sediment bedeckt wurde. Mit einer Größe von 150 cm und rund 47 kg kann man hochrechnen, daß ergaster 180 cm groß werden konnte. Der Körperbau ist schlank, das Gehirnvolumen dürfte zwischen 900 und 1100 ccm gelegen haben. Im Gegensatz zum asiatischen erectus bilden die Augenwülste je eine Furche auf der Stirn, während sich bei den asiatischen Formen eine durchgehende Linie zeigt.

Zwischen 1.2 und 0.5 Millionen Jahren findet sich einen fossile Lücke in Afrika, obwohl Werkzeuge und Lagerüberreste die Anwesenheit des Homo erectus anzeigen.

Ungefähr vor 1,1 Millionen kann der systematische Gebrauch von Feuer durch erectus / ergaster unterstellt werden.

Vor 780000 Jahren - Homo antecessor - gefunden 1997 in Atapuerca, Spanien, stellt antecessor ("Vorfahre") den ältesten Hominidenfund in Europa dar. Der bemerkenswerteste Fund ist der Gesichtsschädel eines Kindes, den man in der Gran-Dolina-Höhle fand. Er ist so flach wie beim heutigen Homo sapiens und erscheint weiter entwickelt als der später datierte Heidelbergmensch. Das Antecessorkind zeigt eine einmalige Kombination von alten und hochmodernen Schädel-, Kiefer- und Zahnmerkmalen auf. Einmal mehr war und ist die Zuordnung umstritten: Das Gesicht verweist in der Gesamtform zum Homo sapiens, Merkmale der Stirn und der Zähne ähneln am ehesten dem afrikanischen Homo ergaster. Viele Experten vermeinen wiederum, hier bereits Neanderthalermerkmale zu erkennen. Ist der antecessor der gemeinsame Vorfahre von Homo sapiens und dem Neanderthaler ?

Vor 600000 bis 200000 Jahren - Archaische Formen von Homo sapiens, auch Homo heidelbergensis, so genannt nach dem berühmten Fund eines Unterkiefers in Mauer bei Heidelberg 1907. Ausgerechnet dieser Fund aber könnte durchaus auch von einem europäischer erectus stammen. Weitere bekannte Fossilien sind der Rhodesienmensch (Broken Hill 1921), Arago in Frankreich (1971), Petralona (Griechenland) 1960 und zuletzt Atapuerca (1992/93). Die Funde aus diesem Zeitraum erscheinen sehr heterogen, die Differenzierung zwischen Homo erectus und sapiens ist schwierig und natürlich deswegen umstritten. Das durchschnittliche Gehirnvolumen (ca. 1200 ccm) wird jedenfalls größer, bleibt aber noch unter dem des modernen Menschen. Skelett und Zähne verlieren weiter an Robustheit, jedoch sind Augenbrauenwülste und fliehende Stirn noch ausgeprägt, während die Kinnregion noch stark unterentwickelt ist. Es läßt sich bisher einfach noch keine trennscharfe Linie zwischen dem späten erectus und dem frühen Homo sapiens ziehen, so daß einige Wissenschaftler bemängeln, die Art heidelbergensis sei eine Art "Notaufnahmelager für Grenzfälle".

Vor 400000 Jahren sind die Schöninger Speere, die ältesten bisher gefundenen Jagdwaffen, zum letztenmal geworfen worden - vom Heidelbergmensch ?

Vor 230000 bis 27000 Jahren Homo neandertalensis oder auch Homo sapiens neandertalensis. Der Neanderthaler ist zumindest in Deutschland der berühmteste Urmensch, nicht zuletzt weil der Fund von Johann Fuhlrott 1856 auch die Geburtstunde der Paläoanthropologie ist - immerhin 2 Jahre vor dem Erscheinen von Darwins berühmten Werk. Seit dem allseits bekannten Fund in der Feldhofer-Grube im Neanderthal hat sich das Bild der Spezies neanderthalensis immer mehr verfeinert: Nach den ersten Annahmen, es handele sich um einen durch Krankheit gezeichneten Kosakensoldaten (R.Virchov :-)), später um einen frauenraubenden, grunzenden Unhold mit Keule, hat der Neanderthaler inzwischen Rehabilitation erfahren und präsentiert sich als gleichwertiger, aber auch tragischer Zeitgenosse des Homo sapiens. Für einige Experten sind sich beide Menschenarten so nahe, daß sie den Neanderthaler als Homo sapiens neandertalensis zu einer zweiten Unterart gemacht haben. Inzwischen ist neandertalensis neben dem modernen homo sapiens die am besten untersuchte Menschenart der Vorzeit. Dazu haben im Laufe von 145 Jahren zahlreiche Funde im nahen Osten und in ganz Europa beigetragen, besonders aber neue Methoden unserer Zeit, nämlich genetische Vergleiche, experimentelle Archäologie und der interdisziplinäre Abgleich. Danach gilt es als sicher, daß der Neanderthaler kein unmittelbarer Vorfahre des Homo sapiens gewesen ist, wie man noch vor einigen Jahrzehnten glaubte. Fest steht aber auch, daß Neanderthaler und Homo sapiens einen zeitlich nahen, gemeinsamen Vorfahren haben. Jedoch: War es der Homo antecessor ? Oder ist es heidelbergensis ? Und haben sich sapiens und neandertalensis vermischt ? Selbst die Genetik hat bislang noch keine letzten Beweise erbringen können, wie wir, die heutigen Menschen, es denn nun mit den Neandertalern halten. Einige Experten glauben noch, so ganz ausgestorben seien die Neanderthaler nicht, sondern haben sich in unserer Linie - wenn auch minimal - genetisch eingebracht. Die meisten Experten hingegen verweisen gerade auf die genetischen Expertisen und erklären neandertalensis für restlos ausgestorben.
Die morphologischen Merkmale der Neanderthaler sind einmalig und prägnant. Der Schädel zeigt ein flaches, langes Dach, eine fliehende Stirn und rundet sich nach hinten stark ab (Fließheck). Der mittlere Teil des Gesichts springt hervor bzw. die Wangenknochen treten zurück, das Kinn ist sehr schwach entwickelt, zwei Augenbrauenwülste vollenden das typische Neanderthalgesicht . Der Knochenbau ist deutlich kräftiger als beim sapiens, die Gelenke auffallend groß, die ganze Erscheinung robust und kompakt. Der Neanderthaler maß um die 160 cm, verfügte aber über das bisher größte Gehirnvolumen einer Menschenart (bis zu 1650 ccm) überhaupt.
Innerhalb der Neanderthaler können noch einmal recht trennscharfe Unterteilungen in drei Typen gemacht werden: Frühe Neanderthaler (vor 230000-130000 Jahren), klassische Neanderthaler (vor 130000-45000 Jahren) und der moderne Neanderthaler (unter 45000 Jahren). Die relativ zahlreichen Funde bringen den Neanderthaler in Verbindung mit einer für diese Zeit erstaunlich reichhaltigen Kultur, die offensichtlich bereits Totenkulte, Kunst (vielleicht nachgeahmt ?!) und steinzeitliche Medizin entwickelte - vielen Experten gehen derartige Schlußfolgerungen aber zu weit. Umstritten ist auch, ob der Neanderthaler artikulieren konnte, unumstritten wohl, daß er in sozial sehr homogenen Gruppen lebte. Er ( und sie) waren hervorragend angepaßt an die rauhen Lebensbedingungen der eiszeitlichen Tundren und Steppen Europas, vielleicht zu gut - Theorien führen das Verschwinden des Neanderthalers zurück auf diese hervorragende Anpassung, die beim Klimawechsel zum Ballast wurde. Zehntausende von Jahren koexistierten die Neanderthaler mit dem Homo sapiens, über das Verhältnis beider Menschenarten wird ebenfalls gestritten wie auch über die Frage, welchen Anteil unsere Vorfahren am Verschwinden von neandertalensis hatten.

Vor 200000 Jahren, so schätzt man, erscheint der moderne Homo sapiens ("wissenderMensch") zum erstenmal auf der Erde. Wie und wo Homo sapiens seine Karriere begann, ist höchst umstritten. Die "Out of Africa"-Hypothese geht davon aus, daß der moderne sapiens zuerst in Afrika entstanden ist und sich von dort aus über die Welt verbreitet hat. Das älteste Knochenfossil eines modernen Homo sapiens wurde auch in Afrika, nämlich in Kibish (Äthiopien, 1969), entdeckt und datiert ca. 130000 Jahren. Die Gegenthese ist die sogenannte "Multiregionalitätshypothese": Danach hat sich der moderne Homo sapiens überall auf der Welt sozusagen transaktional bzw. gleichzeitig entwickelt. Einen geograpischen Anfangspunkt zu rekonstruieren, wäre dieser Annahme zufolge nicht nur unmöglich, sondern auch sinnlos. Derzeit kann weder die eine noch die andere Meinung widerlegt werden, da beide Seiten vernünftige Agrumente zur Verfügung haben.
Nicht selten aber driftet die akademische Diskussion offensichtlich in eine politische Frage ab. Mit Rassismus hat das Ganze allerdings nichts zu tun, denn die heute lebende Population des Homo sapiens ist lange nach ihrer Entwicklung offensichtlich ein oder mehrere Male durch einen "Flaschenhals" gegangen, wie genetische Analysen belegen. Danach ist die Population der Menschheit mehr als einmal stark dezimiert worden (f.e. Vulkanismus + Klimakatastrophe), womit die heute lebenden Menschen ohnehin einer kleinen Population entstammen und zwei beliebige Menschen der Weltbevölkerung genetisch enger miteinander verwandt sind als zwei Schimpansen aus einer Affengruppe. (Biologisch hat die Unterscheidung in Rassen sowieso keinen Sinn, der Begriff Rasse ist ein leidige und rein kulturelle Konstruktion, die letztlich auf rein oberflächliche, physische Unterschiede zwischen Menschen verweist, allerdings noch immer auf die Dummheit bauen kann.)
Nach der Erfolgsgeschichte des Homo erectus ist der moderne Homo sapiens die zweite Menschenart, die sich unzweifelhaft sowohl in Asien wie auch Europa und Afrika findet. Die frühesten Zeugnisse moderner Menschen außerhalb Afrikas stammen aus Israel (Skhul, Qafzeh 100000 Jahre). In dieser Region hat der moderne sapiens offensichtlich annähernd 50000 (!) Jahre mit dem klassischen Neanderthaler koexisitiert - ein herber Rückschlag für diverse Kannibalismustheorien, sprich: sapiens frisst Neanderthaler !? Erst vor 40000 Jahren haben sich diese sapiens dann offensichtlich nach Europa ausgebreitet, wie Funde in Kroatien (Velica Pécina), Tschechien (Mladec) und Deutschland (Stetten) zeigen. Die berühmteste sapiens-Kultur in Europa ist aber ohne Zweifel der Cromagnonmensch (Frankreich), der vor 30000 Jahren lebte und über dessen reichhaltige Kultur, belegt durch Werkzeuge, Höhlenmalereien und Grabbeigaben, wir uns wiedererkennen können. In Asien ist der moderne sapiens dagegen vermutlich viel früher angekommen als man noch vor kurzer Zeit vermutete. Als sicher gilt die Besiedlung Australiens vor bereits 60000 Jahren, aber wahrscheinlich ist der moderne Homo sapiens in Südostasien schon wesentlich früher präsent, vielleicht sogar schon über 150000 Jahre.
Das typische Merkmal des Homo sapiens ist seine hohe Stirn, der recht große Rückenmarkkanal und seine Zahnbestückung. Nichtsdestoweniger unterscheidet sich die Schädelform z.B. des Cromagnonmenschen noch deutlich von der des zeitgenössischen sapiens - man darf sich von reinen Äußerlichkeiten nicht zu stark beeindrucken lassen.

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Soweit also ein kurzer Überblick über die Hominidengeschichte... Höchst unvollständig natürlich und - man kann´s einfach nicht jedem recht machen - da und dort selbst bei größter Toleranz noch umstritten. So mancher Satz in dieser Materie muß nicht selten neu geschreiben werden, bevor man ihn noch vollendet hat. So versuche ich, auf neue Entwicklungen zu reagieren, in diesem Fall auf den Sahelanthropus (der meinem schönen Stammbaumprojekt ein plötzliches Reset angedeihen ließ, aber ausnahmsweise ist sein enormes Alter diesmal wohl unstrittig... Grrrrrr.....!) ororrin kadabaa ramidus anamensis afarensis platyops bahreighazali africanus aethiopicus garhi rudolfensis boisei habilis robustus ergaster erectus antecessor archaischer sapiens Neanderthaler sapiens Sahelanthropus message Wann ist ein Mann ein Mann ?

Copyright © 2002 Thomas Siebe

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