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MISCHEL steht theoretisch seinen Kollegen BANDURA und ROTTER nahe. Alle drei
sind Vertreter einer Richtung, die unter dem Terminus soziale Lerntheorien
subsummiert werden. Diese Theorien haben behavioristische Quellen, aber einen
starken kognitions-psychologischen Einschlag. MISCHEL teilt mit seinen Kollegen
die grundsätzlich
dialektisch-transaktionale
Sicht des Person-Umwelt-Bezuges. In diesem Sinne gehört seine Konzeption
auch zu den dialektischen Ansätzen. MISCHEL sieht seinen Ansatz als eine
Synthese zwischen verhaltensorientierten und kognitiv-phänomenologischen
Auffassungen. Im Methodenbereich fühlt er sich aber nach wie vor der
objektiven Beobachtung im Gegensatz zu introspektiven Methoden verpflichtet.
MISCHEL geht von einer weitgehenden Stabilität und Konsistenz menschlicher
Verhaltensweisen aus und sieht die Person als aktiv-konstruktivistischen Akteur
an. Aus diesem Grunde hat er sich besonders (und empirisch) mit dem
Konsistenzparadox
beschäftigt. Ein zweites dominantes Forschungsthema war für in der
Belohnungsaufschub
, wie weiter unten noch besprochen wird.
MISCHEL benennt zur Erfassung der Persönlichkeit 5 zentrale
Variablenkomplexe:
- Kognitive und behaviorale Konstruktionskompetenzen
- Kodierungsstrategien und persönliche Konstrukte
- Verhaltens-Ergebnis- und Reiz-Ergebnis-Erwartungen
- Subjektive Reizwerte
- Selbst-regulative Systeme und Pläne
(Selbstkontrolle)
-
MISCHEL meint, daß Personen mittels direkten oder Beobachtungslernens
Informationen auf für sie typische Weise verarbeiten, d.h. es existiert
eine spezifische individuelle Selektivität und Organisation der
Informationen. Diese spezifischen Unterschiede deuten auf individuelle
Variationen in der Kompetenz,d.h. der kognitiven und behavioralen
Bereitschaften, die eine Aussage über die Fähigkeiten der Person
haben. Zur
kognitiven
Kompetenz
gehören z.B. Intelligenz und Kreativität, während die
behavioralen Kompetenzen
mehr über Geschicklichkeit, Präzision und Ausdauer erworbener
Fertigkeiten aussagen. Diese Kompetenzen werden von der Person aktiv
konstruiert, indem personenintern Informationen zusammengefügt werden.
MISCHEL nimmt an, daß diese Kompetenzen relativ stabil sind, woraus sich
der Eindruck der Konsistenz der Persönlichkeit ergibt. Mischel konnte die
Stabilität von Leistungen empirisch nachweisen. (1968) Da Kompetenzen
sozial positiv bewertet werden, haben sie starke Rückwirkungen auf das
Selbstwerterleben von Personen.
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Diese Klasse von Person-Variablen bezieht sich auf die Art und Weise , wie eine
Person Informationen aus der Umwelt aufnimmt, sie
kognitiv transformiert
und in bestehende Informationscluster einordnet. Dabei wird deutlich,
daß Personen unter objektiv gleichen äußeren Bedingungen
Informationen verschieden verarbeiten. Drei Aspekte nennt MISCHEL:
1.
Selektive
Beachtung von Situationen, was bedeutet, daß die
Wahrnehmungsselektivität der Personen in gleichen Situationen verschieden
ist.
2.
Kodierung von Hinweisreizen
externer oder interner Art: Welche Attribute eine Person einer Information
gibt (z.B. gut-schlecht) hängt von der Kodierungsstrategie der intern
ablaufenden kognitiven Transformationsprozesse ab. Z.B. können unereichbar
qualifierte Ziele in ihrer Bedeutung angewertet werden oder angenehme
Erinnerungen werden bei unangenehmen Ereignissen ins Gedächtnis gerufen,
um sich abzulenken. (Mehr dazu beim Konstrukt des Belohnngsaufschubs)
3. Die
persönliche Konstrukte
einer Person sind subjektive Deutungsmuster zur Kategorisierung und
Komprimierung ansonsten unüberschaubarer Informationen. Z.B. insbesondere
im zwischenmenschlichen Bereich kommen diese Konstrukte zum Tragen: Z.B.
"konstruiert" man einen Menschen a priori als sympathisch. Das kann
sich im Rahmen einer self-fullfilling prophecy sogar verfestigen. Diese
persönlichen Konstrukte sichern die Konsistenz und Stabilität der
Person. Im Konsistenzparadox wird allerdings hier die Diskrepanz zwischen den
persönlichen Konstrukten und dem tatsächlichen Verhalten der Person
bzw. ihrer tatsächlichen Konsistenz als problematisch beschrieben.
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Die beiden ersten Variablenkomplexe beschäftigten sich mit der Kompetenz
der Personen. Nun wendet er sich den tatsächlichen Determinanten für
das Verhalten in spezifischen Situationen zu. Zentral ist hier das
Erwartungskonstrukt
: Personen haben eigene Erwartungen (Hypothesen) darüber, was für
Konsequenzen oder Ergebnisse ein bestimmtes Verhalten oder ein bestimmter Reiz
auslösen. Ein Typ dieser Erwartungen ist die
Verhaltens-Ergebnis-Erwartung
(Bei ROTTER 'spezifische Erwartung'). Dabei handelt es sich aber um eine
subjektive Verhaltenserwartung im Gegensatz zu objektiven
Verahaltens-Ergebnis-Kontingenzen. Ein anderer Typ ist die
Reiz-Ergebnis-Erwartung
, die sich auf Lernvorgänge bezieht, bei denen das Individuum lernt,
daß bestimmte Reize bestimmte andere Ergebnisse voraussagen. Wichtig bei
beiden Typen ist, daß die attribuierte
Intention
z.B. einer Person entscheidend die Wirkung dieser Erwartungen moderiert (z.B.
kann ein Lächeln als höhnisch oder freundlich attribuiert werden.
- Die Kategorie der
subjektiven Reizwerte
entspricht weitesgehend ROTTERs Kategorie des Verstärkungs- oder
Bedürfniswertes: Reize erwerben die Fähigkeit, bei Personen positive
oder negative Emotionen zu erzeugen und auf diese Weise als Verstärker zu
wirken. Bei der Diagnose dieser Werte sind komplexe Faktoren -
Situationspezifität, soziokulturele Position, Lebenszyklus - zu beachten.
-
Diese Kategorie umschließt die prinzipielle Fähigkeiten der
Personen, wenigsens teilweise Bedingungen und Konsequenzen ihres Verhaltens
selbst zu beeinflußen (
Selbstkontrolltechniken
), also die kognitive Kontrolle von Situationen bzw. Selbstkontrolle. Das
Individuum kann teilweise seine Umwelt so arrangieren, daß es sein
Verhalten durch Antizipation selbst programmiert.Dieser Prozeß der
Selbstkontrolle enthält Teilprozesse, die MISCHEL im folgenden benennt:
- Regeln, die Ziele und Leistungsstandards situationsabhängig spezifizieren
- Konsequenzen des Erreichen und Verfehlens o.g. Kriterien
- Selbst-Instruktionen und kognitive Reiztransformationen zur Ermöglichung
der für die Zielerreichung nötigen Selbstkontrolle
- Organisationsregeln für die Abfolge oder Beendigung komplexer
Verhaltensmuster
Diese Konstrukt ist vor allem wichtig für die Verfolgung
längerfristiger Ziele, um nicht jeweils dem ersten besten Reiz zu erliegen
(
Das erinnert an FREUDs Lust- und Realitätsprinzip
). Diese Verfolgung längerfristiger Ziele, unter Umständen unter
Verzicht auf eine fast sichere Belohnung, um eine andere zeitlich entferntere
anzusteuern, kennzeichnet das Phänomen des
Belohnungsaufschubs
:
Dieser Verzicht auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung ist ein
wesentlicher Aspekt des Sozialisationsvorganges. Warten und warten können
sind hier die zentralen Begriffe. Für MISCHEL sind unangemessene
Aufschubmuster Teilursachen für deviantes Verhalten. Die FRage ist nun,
welche kognitiven Prozesse hemmend oder fördernd auf den Aufschub wirken.
Hier hat MISCHEL ausgiebige empirische Ergebnisse erzielt. Auffallend war z.B.
für Mischel, daß es zwischen Wahlintention und dem
tatsächlichen Verhalten zwar einen statistischen Zusammenhang, allerdings
keine perfekte Korrelation gibt. Im folgenden hat MISCHEL folgende Frage
beleuchtet:
Welche Konsequenzen hat eine Fokussierung auf die Belohnung im Falle eines
selbstgewählten Aufschubs ? Hier beobachtet MISCHEL, daß das Warten
um so schwieriger wurde, umso mehr und desto substantieller die Belohnung in
der Aufmerksamkeit der Person war. Personen entwickleten Techniken der
kognitiven Selbstablenkung. Offensichtlich können Reize zudem einerseits
eine
motivationale
und eine
informative
Funktion haben: In Anwesenheit der tatsächlichen Belohnung war die
motivationale Funktion hemmend für das Warteverhalten, im Falle der
symbolischen Darstellung überwog offensichtlich die informative Funktion.
Offensichtlich entscheidet aber die kognitive Transformation der Person, wie
groß Hemmung oder Förderung des Belohnungsaufschubs ist.
Die Beobachtung, daß im Schnitt nur eine mittelmäßig starke
Beziehung zwischen Eigenschaftsausprägungen und konkreten Verhaltensweisen
nachzuweisen ist, wird als Phänomen das
Konsistenparadox
genannt. Für MISCHEL ist die Auflösung dieses Problems natürlich
wichtig, da er ja von einer ziemlich hohen Stabilität und Konsistenz des
Individuums ausgeht.
MISCHEL charakterisiert es so: "Konsistenz-Paradox...beruht auf der
Beobachtung, daß entgegen unserer Intuition, wonach eine substantielle
Verhaltenskonsistenz augenfällig ist, ...Forschungsanstrengungen zur
Untersuchung situationsübergreifender Konsistenz nahelegen, daß das
Verhalten wesentlich stärker variiert..
Hier muß scharf zwischen der
zeitlichen Stabilität
bestimmter indikatorischer Verhaltensweisen und der
situationsübergreifenden Konsistenz (interindividuelle Konsistenz)
dieser Verhaltensweisen getrennt werden. Das Verhalten in mehreren
verschiedenen Situationen längsschnittartig zu untrsuchen, würde die
intraindividuelle Konsistenz testen. Auch macht es einen Unterschied, ob sich
die Ergebnisse auf Selbst- oder Fremdberichte stützen. Bei allen
empirischen Vrsuchen blieb letztendlich die Frage offen, wie man erklären
kann, daß Personen, die sich selbst eine hohe
situationsübergreifende Konsistenz zuschreiben, in ihrem faktischen
Verhalten diese Konsistenz nicht aufweisen. MISCHEL meint, daß die Leute
sogenannte
Prototypen
konstruieren, d.h. sie schreiben einem Indikator (z.B. regelmäßig
Bett machen für das Item Ordnung) eine prototypische Relevanz für das
Item zu. Man habe wahrscheinlich immer mit den falschen Daten nach Konsistenz
gesucht.
Wenn Sie Vorschläge, Korrekturen oder einfach nur Grüße für mich haben, können Sie diese an u.a. E-Mail oder ohne E-Mail per Kurznachricht versenden. Von Fragen bitte ich abzusehen. E-Mail